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Was benötigst du für deine Fotos?

Eine Frage, die mir immer wieder über den Weg läuft, insbesondere auch bei vielen Gesprächen auf meinen Ausstellungen auftaucht, ist die Frage: Welches Objektiv und welche Kamera ich verwende.



Das ist sehr interessant, weil diese Frage einen wichtigen Punkt der Fotografie trifft. Als Fotograf*in oder auch als Künstler*in ist man permanent gefordert Entscheidungen zu treffen. Und meiner Erfahrung nach ist das auch der schwierigste Part dabei. Ständig ist man gefordert Entscheidungen zu treffen. Welche Einstellungen nehme ich vor, welche Linse und welche Kamera verwende ich, welche Bilder wähle ich für mein Portfolio, oder eine Ausstellung aus, u.s.w. Und bei jeder dieser Fragen hat man immer ein bisschen Angst, die falsche Entscheidung zu treffen. Ich denke es hat wohl annähernd jeder mehr oder weniger Bammel davor, Entscheidungen zu treffen und am Ende falsch zu liegen.


Nur, die Antworten auf die Fragen, die so oft gestellt werden, helfen sicher niemanden weiter. Entscheidungen nehmen sie dir auf keinen Fall ab. Viel wichtiger, als zu wissen, welche Kamera, welches Objektiv, welche Blende oder Verschlusszeit ich verwende, ist es doch zu wissen, wie man eine Entscheidung für diese Aspekte selbst trifft und den Mut und die kreative Freiheit zu haben, dies zu tun.


Bevor ich meine Gedanken, bzw. Ideen dazu teile, erstmal folgendes: Auch hier gibt es, wie zu so vielen Dingen, keine Regeln und schon gar kein Muss. Für was auch immer wir uns gerade entscheiden. Für eine Optik, eine Verschlusszeit, eine Perspektive, oder was auch immer, es steht in keinem Gesetzbuch. Viel mehr sollte man diese Wahl einzig auf der Basis von Erfahrungen und Kriterien die nur wir selbst kennen treffen. Die wichtigste aller Fragen, die wir uns als Fotograf, Künstler oder als Mensch dabei stellen können ist: Was will ich? Was ist mir in dieser Situation wichtig? Ist es der breite Blick eines Weitwinkelobjektivs? Möchte ich Bewegung darstellen und wähle deshalb eine längere Verschlusszeit? Will ich den Hintergrund meines Objekts freistellen? U.s.w. Ausgangspunkt der Überlegungen muss also immer die Frage sein: Was ist mir wichtig? Selbst dann, wenn ich mir noch nicht voll darüber im Klaren bin und ein paar Dinge ausprobieren muss um herauszufinden was am besten funktioniert, muss ich irgendwo starten. Ich habe noch keinen besseren Weg gefunden, als mir zu Beginn einfach folgende Fragen zu stellen: „Was möchte ich? Was will ich sagen? Wie soll mein Bild aussehen? Was soll es ausdrücken?“ Wenn du dir diese Fragen auch stellst, wird dir das entweder weiterhelfen, oder du wirst mit den Schultern zucken. In letzterem Fall, ist es ohnehin egal. Ich wähle dann einfach irgendein Objektiv, stelle eine vernünftige Belichtung ein und fange an auszuprobieren. Denn ich finde das aller, aller wichtigste ist: anzufangen! Ich hab die Erfahrung gemacht, dass alles Grübeln und Abwägen nichts bringt. Nullkommanull!


Na klar. Die Fähigkeit zu wissen, welche Aussage dein Bild haben soll, oder welches Gefühl es vermitteln soll, setzt natürlich eine funktionierende visuelle Kompetenz voraus. Wenn du gerade angefangen hast zu fotografieren, wirst du diese Fähigkeit noch nicht wirklich haben. Keine Bange, dass kommt mit der Zeit. Und ich denke, genau dieser Umstand, der noch fehlenden visuellen Kompetenz, ist ein Grund weshalb die zu Beginn dieses Blogs genannten Fragen so oft gestellt werden. Ein Tipp von mir ist deshalb: Wenn du die Möglichkeit hast, dann stelle die richtigen, die besseren Fragen. Stell nicht die Frage: „Hallo, welches Objektiv verwenden sie?“ oder „Mit welcher Kamera fotografieren Sie?“ Wem hilft das? Die Antworten darauf werden dir nicht weiterhelfen. Das ist nicht das was du brauchst und am Ende langweilst du damit vielleicht auch noch deinen Gesprächspartner.

Frage besser: „Warum haben Sie für diese Aufnahme diese Brennweite gewählt?“ oder auch: „Weshalb haben Sie für dieses Bild diese oder jene Einstellungen gewählt?“ Aus den daraus entstehenden Antworten kannst du viel, viel mehr für Deine eigene Arbeit und die dort zu treffenden Entscheidungen mitnehmen. Es ist nur eine kleine Änderung der Fragestellung, die jedoch einen großen Unterschied ausmacht. Probiere es aus. Ich bin überzeugt du wirst den Unterschied merken.


Wie oben im Text bereits kurz angerissen, ist die visuelle Kompetenz, dein Vorstellungsvermögen, deine Fähigkeit ein gewünschtes Ergebnis vor dem inneren Auge zu sehen, eine wichtige Sache. Um die visuelle Kompetenz zu stärken empfehle ich gerne Fotos zu studieren. Ich finde, dass ist das Beste was man dafür tun kann. Sehe dir die Bilder aber nicht bloß an. Versuche heraus zu erkennen welche Linse der Fotograf hier wohl verwendet hat und WARUM? Welche Verschlusszeit und WARUM? Welche Blende und WARUM? Und vor allem, welchen Einfluss haben diese Entscheidungen auf die dir vorliegende Fotografie gehabt. Und stelle dir diese Fragen, bevor du die EXIF-Daten oder den Begleittext ließt. Aber auch dann, wenn du dir die begleitende Informationen angesehen hast, frage Dich: WARUM?


Am Ende des Tages ist es eine der besten Möglichkeiten, wie man der Fotografie oder einer anderen Kunstfertigkeit näher kommt. Natürlich ist es nicht allein mit den besseren Fragen getan. Man sollte vor allem so oft es geht losziehen und fotografieren. Falls man scheitert, dann lernt man daraus und versucht es nochmal. Und glaube mir, es gibt keinen Fotografen, der dir wirklich sagen kann, welches Objektiv du für die eine oder andere Szene verwenden musst. So etwas wie DIE Porträtlinse gibt es nämlich nicht. Wenn ich Magazinartikel lese wie „das beste Objektiv für Landschaftsaufnahmen“, oder ähnlichen Nonsens, bekomme ich Schüttelfrost. Landschaften kann man mit jeder Brennweite fotografieren. Porträts kann man mit jeder Brennweite fotografieren. Es gibt kein Bestes! Mit solchen Artikeln versucht man lediglich etwas zu verkaufen. Entscheidend dafür ist in Wirklichkeit nicht das Motiv, sondern die Ästhetik des Fotos, die Deinem Objekt, was auch immer es sein mag, den besten Ausdruck verleiht. Und das, da führt kein Weg dran vorbei, liegt einzig und alleine an dir. Nein, auch die perfekte Verschlusszeit für ein bestimmtes Motiv gibt es nicht, denn nur du selbst weißt, ob du das Ding gestochen scharf haben willst, oder verschwommen, oder wie auch immer. Ja, dass weißt nur du alleine. Und wenn du es nicht weißt, versuche es. Finde heraus, was für dich funktioniert. Es gibt keine universell beste Einstellung bei Objektiven.


Aber lassen wir die Objektive und Einstellungen und den ganzen anderen technischen Krimskrams mal beiseite. Stelle Dir ganz am Anfang mal die Frage: Was will ich? Und dann treffe eine Entscheidung. Und gleich vorweg, es kommt niemand vorbei, der dass für Dich tun wird. Ein Beispiel: Die Entscheidung schwarzweiss statt farbig ist eine Mischung aus vielen möglichen Gründen. Unzählige Aspekte, wie die Geschichte, die Ästhetik, das Thema, welche in dem endgültigen Bild zum Tragen kommen sollen. Diese vermischen sich zu einem Gefühl, das dir sagt: „Ja verdammt! Schwarzweiss muss es sein!“ Und darf ich dir etwas verraten? Manchmal liegt ein Gefühl und eine Entscheidung auch völlig daneben. Und was du in deiner Vorstellung für ein verdammtes JA gehalten hast, entpuppt sich zu einem entschiedenen NEIN. Wunderbar! Das ist doch großartig. Denn dann weißt du Bescheid.

Eine Absicht oder Vision ist genau aus diesem Grund wichtig. Denn dort fangen wir an. Und falls du gerade keine Absicht oder Vision hast, ist das auch nicht schlimm. Benutze einfach deine Kamera als Werkzeug, um zu forschen, zu testen, um kreative Risiken einzugehen. Mach das so lange, bis sich dieses „Ja verdammt!“ in dir manifestiert. Die kreative Aufregung, die dir zuflüstert: „Komm mit und lass uns sehen wohin uns der Weg führt!“

Ein schlauer Kopf hat mal gesagt: „Niemand hat wirklich Ahnung von dem was er tut, ausser dass wir uns dazu entschließen, es zu tun.“ Manchmal schlagen wir ein Ass, manchmal eben nicht. Das Handbuch „Was Sie jetzt tun müssen“ gibt es nicht. Wir raten nur. Wir treffen Entscheidungen und folgen diesen so lange, bis sie uns dorthin bringen, wo wir hin wollen, oder uns vor Augen führen, dass wir uns auf dem Holzweg befinden. Dann kehren wir eben um und versuchen etwas anderes. Aber in dem Moment, in dem wir einen Blick darauf werfen, ein Gefühl dafür bekommen, wie unsere Bilder aussehen sollen, wie sie sich anfühlen sollen, was sie aussagen sollen, haben wir die ersten Hinweise auf die nächsten zu treffenden Entscheidungen.


Das alles mag jetzt für den ein oder anderen erschreckend sein. Es ist allerdings gleichzeitig auch die Geburt deiner Stilfindung. Es hängt alles von deiner Wahl, deiner eigenen Entscheidung ab. Und Angst ist in diesem Kontext eigentlich völlig unbegründet. Es ist ja auch noch kein Fotograf gestorben weil er Blende 9 statt 3,6 gewählt hat oder eine 36mm Linse eingesetzt hat, um zu entdecken, dass ein Tele die bessere Wahl gewesen wäre. Du wirst es lernen. Allerdings nicht, wenn du nicht anfängst selbst Entscheidungen zu treffen und diese Entscheidungen darauf ausrichtest, was du für deine Bilder willst und brauchst. Genieße die Freiheit, die Dir dieses Vorgehen bietet. Dir schaut niemand über die Schulter. Vergesse das Blabla vieler Magazin Artikel und YouTube Tipps. Treffe Deine eigene Wahl und sehe was passiert. Versuche es wieder und wieder. Wir nehmen die Dinge allzu schnell, viel zu ernst. Es gilt sich zu entspannen und Spaß zu haben. Schließlich müssen wir ja keine Operation am offenen Herzen durchführen.


Fassen wir also zusammen: Wie wähle ich eine der hundert Möglichkeiten wie Blende oder Linse oder Komposition oder Verschlusszeit? Ich frage mich zuerst, wie das Foto aussehen soll, und dann fange ich an, meine Entscheidungen zu treffen. Wenn sich die Entscheidung richtig anfühlt, mache ich weiter. Wenn sie sich nicht richtig anfühlt, versuche ich eben etwas anderes. Und um meine Sinne dafür zu schulen, studiere ich so viele Fotografien wie möglich und fotografiere, fotografiere, fotografiere.

Wie auch immer man es macht, es kommt darauf an, eigene Entscheidungen zu treffen und aus diesen zu lernen. Es kommt auf Mut und die Bereitschaft an, Risiken einzugehen und aus Erfahrungen zu lernen. Wer einmal damit angefangen hat wird merken wie schnell sich Fortschritte ergeben und wie verdammt viel Spaß das macht.

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