"Zoom Objektive sind was für Knipser"
- Yens Franke
- 31. Juli 2021
- 5 Min. Lesezeit
Über das Thema Festbrennweite vs. Zoom wurde bestimmt schon so oft gestritten und diskutiert, wie über das Thema Gut gegen Böse geschrieben. Und auch ich hatte in den ersten Jahren meiner Fotografie die "Vorzüge" von Festbrennweiten für mich als nahezu alternativlos gesehen.
Nun ist der Begriff "alternativlos" ja in allen Belangen eine kurzsichtige, wenn nicht sogar blinde Definition, der man sich nicht ergeben sollte. Denn es gibt für alles ein Für und Wieder und jeglicher Fortschritt endet, wenn man stets nur eine Seite der Medaille betrachtet. Es gibt in allen weltlichen Situation viele Wege die nach Rom führen und damit möchte ich die Aufzählung bekannter Sprüche zur Unterstreichung meines Blog-Themas auch beenden ;-) Ich denke, jeder weiß nun worauf ich hinaus will.
Als ich Ende 2017 nach langer Abstinenz wieder mit der Fotografie begann, war für mich eine 50mm/1.4 Linse (auf den APS-C Sensor gerechnet etwa 80mm) meine ständige Begleiterin. Ich hatte das Ziel mich der Menschenfotografie zu widmen und dafür war diese Brennweite in meinen Augen perfekt. Ein Jahr später wechselte ich von der Sony a77 II auf eine Sony Alpha 7r II mit Vollformat Sensor und entschloss mich nach einigem Überlegen und Ausprobieren für eine kürzere Brennweite, um den Abstand bei Shoots zwischen den Modellen und mir zu verringern. Ich finde dies hat Vorteile in der Kommunikation und dem Zusammenspiel, zwei essentielle Faktoren für eine erfolgreiches Session. Das ist aber wieder ein anderes Thema.
Kurz, ich besorgte mir die Festbrennweite: Sony/Zeiss Sonnar® T* FE 55 mm F1,8 ZA. Ein qualitativ in wirklich allen Belangen großartiges Objektiv. Ich liebe dieses Glas, werde es für das Fotografieren von Menschen auch weiter verwenden und kann es uneingeschränkt empfehlen. Als Allrounder, also bei Wanderungen, im Urlaub oder bei Spaziergängen musste ich jedoch erkennen, dass die Brennweite von 55mm doch immer mal wieder zu groß ist um Objekte Formatfüllend abzubilden. Klar wird dadurch natürlich auch die oft als Vorteil von Festbrennweiten angeführte Kreativität gefördert. Ich hatte jedoch oftmals mehr das Empfinden, die Kreativität wird durch diese Einschränkung eher gefordert, bzw. aufgezwungen. Auf jeden Fall dann, wenn es örtlich nicht möglich war die gewünschte Perspektive einzunehmen. Einem Fotografen, der vor Ort ein Objekt oder eine Szenerie vorfindet und diese seinen Vorstellungen und seiner Kreativität entsprechend ablichten möchte, dem kann das einige Aufnahmen kosten. Ich machte bei einem Trip nach Paris diese Erfahrung mehrmals und entschloss mich danach mir zu meinem 55mm Objektiv ein Weitwinkel-Objektiv zu kaufen, um meine Flexibilität zu erhöhen und gewünschte Abbildungen künftig nicht wieder links liegen lassen zu müssen.
Da dies aber künftig ein zweites Objektiv sein würde, dass ich mit mir herumtragen muss, entschied ich mich erstmal für das extrem leichte Samyang AF 24mm F2.8 FE. Ein Review von mir zu diesem Glas findet ihr hier.
Diese Ergänzung brachte mich auf alle Fälle schon mal weiter. Gleichzeitig reifte mit jedem Städtetripp, jeder Wanderung und jedem Spaziergang die Erkenntnis, dass ich vom Typ her wohl zu faul bin, ständig das Objektiv für die jeweils nächste Situation zu wechseln. Dieses Rucksack runter, aufmachen, rückwärtigen Objektivdeckel abnehmen, Objektiv von der Kamera schrauben, anderes Objektiv darauf schrauben, rückwärtigen Objektivdeckel anbringen, Objektiv im Rucksack verstauen, Rucksack verschließen und auf den Rücken schnallen und sich erst dann wieder dem Fotomotiv zuwenden. Allein diese Aufzählung der notwendigen Schritte für einen Objektivwechsel veranschaulicht doch sehr gut was ich meine. Ganz klar, bin ich alleine unterwegs um ein bestimmtes Motiv zu fotografieren fällt das Prozedere natürlich nicht so ins Gewicht, als wenn ich mit meiner lieben Frau die Gegend unsicher mache. Letztlich musste ich mir als Festbrennweiten-Enthusiast nach einiger Zeit jedoch eingestehen, dass mir ein Objektiv mit einem größeren Brennweitenbereich doch den ein und anderen Vorteil bringen könnte.
So begann ich mir eines Tages gezielt Gedanken über das Für und Wieder zu machen. Hier ein paar oft genannte Pro und Contras, die in diesem Zusammenhang häufig genannt werden und jeweils meine persönliche Einschätzung dazu:
Pro Festbrennweite:
Leichter als Zoomobjektive YF: Sobald man zwei drei unterschiedliche Brennweiten als Alternativen mitnimmt ist dieses Pro gegessen.
Höhere Lichtstärke YF: Ist meiner Ansicht nach besonders in der Natur oder bei Städtetripps zu vernachlässigen. Erstens sind moderne Kameras auch bei hohen ISO-Werten noch annähernd rauschfrei und, sind wir doch mal ehrlich, viele Landschaftsfotografen schnallen sich sogar noch ND Filter vor die Linsen um die Belichtungszeiten zu erhöhen.
Bessere Freistellung, schöneres Bokeh YF: Das mögen Vorteile sein. Für spezielle Aufnahmen sicher wichtig, aber ich komme in der Natur ganz gut mit weniger starker Freistellung zurecht. Und das Bokeh das mein Zoom-Objektiv abliefert finde ich sehr schön.
Günstiger als Zoomobjektiv YF: Dieser Vorteil fällt, ebenso wie das Gewicht, in sich zusammen, sobald man unterschiedliche Brennweiten abdecken möchte und sich deshalb verschiedene Objektive zulegt.
Fördert die Kreativität YF: Das halte ich für ein Gerücht. Es fördert hauptsächlich die Improvisationsfähigkeit.
Contra Festbrennweite
Häufiges Objektivwechseln YF: Ja! Und ich finde das nervt oftmals.
Weniger Objektauswahl, bzw. Notwendigkeit nur Ausschnitt eines Objekts zu fotografieren. YF: Eine Panorama Funktion kann da zwar Abhilfe schaffen, ist aber auch nur eine Notlösung. Genauso wie "cropping", um zu weit entfernte Motive im fertigen Bild zu vergrößern. Hier verliert man am Ende Auflösung und evtl. auch Abbildungsqualität. Ist also ebenfalls nur ein Kompromiss.
Nun ich denke die Vor- und Nachteile eines Zoom-Objektives muss ich nicht auch noch auflisten. Diese ergeben sich ja im Grunde bereits aus meinen Kommentaren zur Festbrennweite. Was ich euch noch schuldig bin, ist die Zoom-Linse meiner Wahl. Auch hier sei gesagt, dass es viele, viele Varianten gibt und man für sich und seine persönlichen Bedarfe alle Fürs und Wieders abwägen sollte, um die beste Entscheidung treffen zu können. Hauptkriterien dabei sind u.a. der Brennweitenbereich, die Lichtstärke (auch ob diese über den gesamten Brennweitenbereich gleich ist), die Abbildungsqualität und natürlich der Preis (ausser Geld spielt für dich keine Rolle ;-).
Ich habe viel recherchiert und ein paar Modelle in der Praxis ausprobiert (bei einigen Fachhändlern kann man sich Objektive recht kostengünstig ausleihen). Zum Schluss bin ich wieder bei einem Sony/Zeiss Glas gelandet. Genauer gesagt beim Sony/Zeiss Vario-Tessar® T* FE 24–70 mm F4 ZA OSS. Dieses Objektiv bietet für mich ein optimales Preis-/Leistungsverhältnis. Noch habe ich es nicht wirklich auf die Probe stellen können. Sobald ich aber Erfahrung damit gesammelt habe, werde ich ein Review dazu nachliefern. Die ersten Eindrücke waren jedenfalls schon sehr vielversprechend und das arbeiten damit macht Spaß.
Fazit: Viele der Vorteile einer Festbrennweite gelten hauptsächlich für ganz bestimmte Aufnahmesituationen. Situationen, für die man gezielt auf eine bestimmte Brennweite zurückgreift, weil diese speziell für diese Aufgabe die optimalsten Ergebnisse liefert. Ich werden zu einem People-shoot beispielsweise weiterhin mit (m)einer Festbrennweite arbeiten. Hier fotografiere ich sehr häufig extrem "offenblendig" und möchte, was Schärfeverlauf und Bokeh betrifft, keine Kompromisse eingehen.
Wie geht es Euch bei dem Thema? Sind für Euch Festbrennweiten der heilige Gral oder seht ihr das nicht so eng? Schwört ihr auf die Flexibilität von Zoom Objektiven, oder wechselt ihr auch je nach Situation von Zoom auf Fest?
Wer Lust hat schreibt einfach seine Meinung dazu in die Kommentare. Ich bin gespannt ob dieses Thema auch heute noch so heiss ist, wie es die letzten Jahre in manchen Foren diskutiert wurde.
In diesem Sinne: "Wichtig ist am Ende nicht mit was man fotografiert, sondern dass man fotografiert." Eure Yens
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